Donnerstag, Mai 31, 2007

353

Klammt heimlich, aber die Hosen an

Kunzt und Kinz, und Kinners, und Kannes, in der Burg rennt der Graf nach dem Bild, das die Treppe abwärts weil der Nagel nicht die gewünschte, aber das Bild ist mir eine andere, Waage auf den dem Weg, auf dem Beet, das Grab ist auch immer eine gute Basis für die nächste Generation, oder was wächst eigentlich auf diesen Friedhöfen, gibt es stillgelegte Friedhöfe, oder eigentlich sind die ja immer still, und das mit dem liegen auch, also was wächst jetzt dort?

In Afghanistan wachsen da nur Steine, und die Toten wachsen manchmal auch, das heißt dann Totenwachs, aber ob sie dann auch Zeichen geben können, wie eine Kerze zum Beispiel? Letzte Nacht haben mich die Toten wieder aufgeweckt mit ihrem Licht, sie haben sich in einem Kreis aufgestellt wie Krongeleuchtertes, und dann haben sie geschrien vor lauter Licht, es war nicht zum Aushalten. Aber niemand hat es gesehen, aber keiner ist gekommen, aber alle haben geschlafen. Die Nummer einmal angeben, den Betrag zweimal eingeben, und schon kann es weitergehen. Gell? Und schön. Und Immerschön. Ich bin Frau Immerschön, und ich will jetzt meine Rente.

Montag, Mai 28, 2007

352

Und die Beeren voller Brom

In einer winzigen Tal- und Bergbahn: Die oben offene Wagenkolonne macht ihren Weg durch das eiserne Gestrüpp, das viele Ordensbrüder hier hinterlassen haben, die gestern noch mit dem Kanonendonner hinunter ins Tal gerollt sind, zumindest Teile von ihnen, meistens die schwere Brust, die so schwer war von der Heimat und den vielen Orden, die ihre Kinder zuhause für sie gebastelt und bemalt haben, voller Hoffnung, dass sie den Feinden sich in den Weg stellen und seinen Kanonen und dass sie ihn vernichten mit ihrem stählernen Blick und dem eisernen Willen. Aber es hat nicht gereicht, dieses Mal, es hat nur für die Brust gereicht, für das Abkollern ins Tal, für die schwere Brust, für die untergegangene Verheissung, und der Stahl und der Feind sind dennoch nicht gekommen, aber das eiserne Gestrüpp und die Orden die liegen jetzt hier überall, und wenn wir in den offenen Wagen Tal- und Bergfahren, können wir es blinken sehen, und wir hören ihn atmen, den Geist des Vaterlandes. Er trägt schwer. An seiner Lust.



Achtung, Achtung, der Wald ist wieder im Rausch, Achtung, der Wald. Vollrausch! Der Wald! Vollrausch! (Aber HörenSieMal das ist doch nur Wald, das Rauschen, das Rauschen im Wald, was Sie da hören ist doch nur das Rauschen im Wald. Die Bäume! Es rauscht!)

Sonntag, Mai 27, 2007

351

Eine Zeile für die Weile

Volkspark. Unendliche Weiten, jedenfalls bis zum nächsten Häusergesicht. Das Gras ist dünn. Das Gras ist so dünn, dass man den nackten Boden darunter sehen kann. Glasgras. Einen Buchstaben bloß ausgetauscht, aber für die Viecher und Kriecher und Pflanzen ist es eine völlig andere Welt: Jeder sieht Dich. Möchten Sie in einem Haus aus Glasgras wohnen? Na sehen Sie. Und von wegen Glashüpfer, da geht es dann schon los. Und halten Sie sich fest, wenn der Wind kommt. Ja, aber nur woran? Ja, aber nur wie? Entweder auf der Wiege ist noch Platz, oder ich suche mir eine andere Schaukelwiese. Haben wir gelacht und sind auf der nackten Erde gekullert, dass es geknirscht hat, ja die hat eben den Kahlkopf bekommen, eine Erde mit Kahlkopf, ist doch alles nicht so schlimm, das gab es früher auch schon. Nur früher gab es auch keine Menschen. Obwohl. Wir sind da auf einem guten Weg. Oder wollen sie einen Mächtigen als Mensch bezeichnen? Blasphemie!

Samstag, Mai 26, 2007

350

Der Hund. Und ein Auge auf den Hund

Hundert andere Gründe. Wie ein Gärtner der einen Austauschboden unter sich hat. Wie ein Gärtner der einen Austauschboden unter sich hat. Ich schreibe manchmal alles doppelt. Um in der Übung zu bleiben. Es ist gut in der Übung zu bleiben. Außerdem hat man dann eine Gewissheit. Und nichts ist in dieser Welt mehr wert als eine Gewissheit. Na gut, ein Klumpen Gold vielleicht. Aber eine Gewissheit ist auch nicht schlecht. Eine Information. Die Information ist das Gold der Armen. Die Information ist eigentlich Gold wert. Aber sie verfällt so rasch in den Taschen. Wenn man sie zur Bank getragen hat, ist sie schon verfallen, kaum dass man sie auf den Tresen legen will zum Eintauschen. Das gibt immer ein langes Gesicht. Das gibt immer so einen roten Kopf. Das lässt einen immer so ein wenig alt aussehen. Wir haben deshalb einen anderen Weg gefunden. Ich bin jetzt Nachrichtensprecher. Ich rede also über das Gold des kleinen Mannes. Und der kleinen Frau natürlich. Ich habe so etwas wie eine goldene Kehle bekommen. Das ist hübsch. Obwohl es manchmal ein wenig schmerzt beim hinunterschlucken. Aber so wenig wie eines ist so viel wie alles. Irgendwie.

Freitag, Mai 25, 2007

349

Der Minister pfanntasiert

Im Umkehrschluss: ein Pfeil ändert seine Richtung nur wenig, wenn man ihn schießt. Ein Mensch dagegen manchmal schon sehr. Weil der Pfeil, wenn er gegen einen Menschen geschossen wird, fliegt auf einer Art Kurve. Das liegt an der Schwerkraft. Dabei ist der Pfeil so leicht. Und der Mensch, wenn er getroffen wird, fällt auf die Erde und in sie hinein, auch wegen der Schwerkraft. Bevor er dann unten ankommt, verglüht er aber, wegen dem Kern. Der Kern der Dinge, der Kern der Welt, also das Lebbe an sich, ist nämlich ein Glühen. Das ist schon deshalb so interessant, weil die Hülle der Welt auch ein Glühen ist. Wenn etwa ein Raumfahrer zu früh aus seinem Raumgefährt aussteigt, weil er zum Beispiel die Orientierung verloren hat, oder weil er zum Beispiel die Beherrschung über seine Technik verloren hat, dann verglüht der auch. Gleich wie der Mensch, auf den man den Pfeil geschossen hat und der in die Erde fällt. Ich glaube, das verbindende Element dabei ist das Fallen. Der Mensch fällt. Und dann verglüht er. Wir sind alle Kometen. Komet Mensch. Das gefällt mir. Irgendwie wird mir ganz heiß. Und ich weiß nicht, wo ich bin. Unten. Oder oben?

Donnerstag, Mai 24, 2007

348

Der Minister tanzt

Und dann Klumpen. Zellen voller Klumpen. Ein Klumpen Mensch. Räumt das da weg. Die Klumpen Menschen ballen sich in den Ecken der Zellen, und der Weg ist langsam verstopft, ich habe mich verstopft, das Loch ist noch da, aber der Faden ist in die anderen Maschen, eingelaufen, eingerannt, umgeschnitten, aber wie geht das hier, ein Klumpen überall, und warum ist das nur so schwer, es hilft Dir keiner, wenn Du klumpst, Klumpfuß, Lampenschirm, ja wenn wir alle erste ein großer Klumpen sind, geworden sind, ja dann, Klumpfuß, Lampenschirm, Leuchtfuß, Strahlenschirm, immer besser, wenn man ein bisschen mehr sieht, ein Klumpen Licht an der Decke, da sieht man gleich den Unterschied. Klumpen. Fuß. Unterschied. Ein Klumpen Unterschied. Und sonst nichts. Ich habe nichts mehr zu verlieren. Lampenschirm. Hautnah. Strahlenschutz. Der Klumpen in Dir will mir etwas sagen. Der Klumpen in Dir leuchtet. Und macht sich auf den Weg.

Mittwoch, Mai 23, 2007

347

Himmel, und so weit

Keine Ahnung, wer mir das jetzt wieder geflüstert hat. Eine Tüte mehr von dem Zeug, und ich wäre mächtig geworden. Also eher ohnmächtig. Aber das muss ja keiner so genau wissen. Ich jedenfalls nicht. Was soll es auch bedeuten? Die Sonne scheint. Der Luxus dampft. In meiner Schüssel dampft der Luxus. Nein. In meinen Schüsseln dampft der Luxus. Vorher und nachher. Dazwischen dampft der Luxus in mir drin. Essen ist Luxus. Kacken ist Luxus. Viel Essen ist Luxus. Viel Kacken ist Luxus. Zuviel Essen ist Luxus. Zuviel Kacken ist Luxus. Luxus stopft aus. Luxus beult aus. Fett ist Luxusbeule. Fett ist Kacke. Kacke ist voll Scheiße, Du. Ein Kackadu. Bist Du. Steck Deinen Kopf ruhig in den Sand. Aber weißt Du, wer vorher hier gesessen hat?

Sonntag, Mai 20, 2007

346

Berlin: Die Neuen Fürsten kratzen sich den Arsch

Na was das noch werden soll, Sonntag und so weiter, viel große Sucht, viel kleine Wahn, und die Mahnfiguren an der Wand, kleine rotnasige Wichtel mit goldenen Zipfeln, nein Zipfelmützen, mit roten Nasen, da schau her, wir sind ungefähr da, wo Du hinwillst, und schau her, was es aus uns gemacht hat, und schau her, was es aus Dir machen wird. Da führt kein Weg daran vorbei, das ist eine Schlucht, Herr Wichtel. Na und so weiter. Sonntag und so weiter. Nusskuchen und so weiter. Und das Herrschaftliche frisst Pastete, und macht die öffentlichen Parks zu Museumsflächen, da schauen Sie mal, eine Trockenwiese. Aber NICHTS anfassen! Gell?! Wir haben dafür den Sonntag. Und auch, wenn es regnet! Ist das nicht schön?

Samstag, Mai 19, 2007

345

Alles anders, auf der Alb

Wieso haben wir hier immer so schweres Wasser? Das macht mir den ganzen Tee kaputt. Das macht mir immer die Tassen kaputt. Und die Kanne hat auch schon Risse. Haben Sie Kinder? Wir auch. Aber nicht mehr hier. Sie sind weg, in den Süden, wo die anderen Kinder sind. Die Reichen haben uns die Kinder weggenommen. Und lassen sie jetzt für sich arbeiten. DIE REICHEN SIND UNSER UNGLÜCK! VERFLUCHT SOLLEN SIE SEIN, DIE REICHEN! VERFLUCHT!

Das Land atmet. Das Land atmet auf. Das Land atmet ab. Das Land atmet schwer. Immer mehr, immer tiefer kommen die Hügel in das Tal. Das Land atmet schwer. Aber was kümmern schon die Bauern. Die meisten kommen nur noch über die Felder zu den Maschinen. Es ist eine Pest! Früher waren wir zu zehnt bei der Ernte. Heute fülle ich morgens die Maschine, und rolle alleine mit Gedröhn auf die Felder. Ich sitze im kühlen Käfig, draußen brennt die Sonne. Es ist so heiß! Es ist so unmöglich heiß. Mir wird die Stirn ganz schwarz, das viele Öl unter mir im Tank, das ganze Öl überall um mich herum. Schwarze Erde, schweres Öl. Immer schwerer. Wie aus der Sonne gefallen, getropft. Ein Tropfen hier, eine Bahn da. Das Öl wird uns unter sich begraben, wenn es erst den richtigen Weg gefunden hat. Wir werden im schwarzen Öl ersaufen. Es steht uns schon bis zum Hals. Bis unter die Stirn.

Freitag, Mai 18, 2007

344

Erst, jetzt, und früher dann

Kummer gewohnt. Abstellgleis. Haltesignal. Hier warten. Hier sitzen und warten. Nicht stehen. Nicht stehen bleiben. Sitzen machen. Und die Gleise rosten. Und das Gras wächst. Und das Glas wächst. Bis es Scherben wird. In einem anderen Leben wäre man längst ausgestiegen. Aber hier zu warten und zu sitzen, ein einfaches Rezept. Wo kommst Du her. Wo kommst Du denn her. Wo denkst Du denn hin. Wo gehst Du denn mit Deinen Augen spazieren. Wieso? Wieso ist heute schon wieder Weihnachten, nur weil das Konfetti aus den Häusern fällt? Ach, das sind ja Menschen. Körperregen. Das klatscht vielleicht. Wenn die schon mal den Stecker rausziehen.

Der Weg ist das Ziel. Der Weg da vorne ist nämlich ein Ziel, die Stapel laufen heiß unter dem Kiel, ganz heiß, da wo wir alle hinwollen, aus dem Strauch, raus aus dem brennenden Busch, aus dem Hirngestrüpp, aus dem verwinkelten verwackelten verwünschelten Rosengarten. Alles Kot hier, alles voller Hundemarken. Und Pfeile!

Ich und Du und Müllers Kuh. Aber die hatten doch nur Erde. Nein, Pferde. Und einen Traktor. Und ich durfte ihn in den Graben. Fast. Oder beinahe nur. Entweder grün. Oder rot. Aber wackelig. Aber stark. Aber heiß und wie Diesel. Und mit Diesel. Und riecht und heißt und schüttelt. Ein Traktor, der Georg heißt. Und der Weg war das Ziel, wie nebenbei. Und im Graben die Raben. Keine Auswahl. Große Auswahl. Kleines Ereignis. Mietwagen. Mietsklagen. Miezmaus. Mietshaus. Hausfall. Kehrwoche. Ja dann.

Donnerstag, Mai 17, 2007

343

Can Can, Dose

Kommt etwas Staub durch die Luft, sagt man gleich Sahara. Kommt etwas Regen, ist es gleich der Pazifische. Oder der Spezifische, was weiß denn ich. Jedenfalls habe ich kein Aquarium. Deswegen habe ich auch keine Freunde. Also FischFreunde, so Spezifische. Die einen jeden Abend verblubbern, wenn man von der Arbeit kommt, wenn man denn von einer Arbeit kommen kann, weil man welche hat. Also so Spezifische, die einen mit einem Blasenblubber begrüßen. Oder einem verknitzten Flossenschlag. Und dann sehen sie sich mit einem durch das Fernsehprogramm, am liebsten natürlich Filme über den Wald. Bambi sollen sie sehr mögen. Auch wegen der Farben. Oder Försterfilme. Alte Försterfilme. Mit Bergen und Försterhüten.

Filme über das Meer sind sind den Spezifischen dagegen meistens suspekt. Da wird zuviel hinein interpretiert, blubbern sie. Zuviel manipuliert. Da macht der Regisseur X zuviel Meinung Z. Spezifische sind eher kritische. Manche mögen auch Filme übers Fliegen. Weil es aber nur selten Filme gibt, die einen zweistündigen Flug über die Wolken aus der Sicht eines aus dem Fenster starrenden Guppys dokumentieren, bleibt diese Vorliebe meistens unerwidert. Jedenfalls habe ich kein Aquarium, weil das so viel Arbeit macht. Immer den Müll und die Kacke von diesen Fischen aufräumen. Und sie sehen einem dabei zu und man weiß nicht, ob sie nicht heimlich lachen über den Typ, der da ihren Dreck wegräumt. He, Müllmann. Da hinten schwimmt noch ein Stück. Werd bloß nicht nachlässig, Du! Ich kenne Deinen Chef! Und dann wollen Sie auch noch gefüttert und umsorgt werden. Und das alles für ein bisschen Freundschaft und ein paar Blasen extra beim Nachhause kommen. Außerdem gehe ich sowieso nicht weg. Ich bin immer hier. Ich bin immer da. Und dann immer die gleichen Typen um mich rum. Nein danke. Sucht euch einen anderen Idioten. Spezifische. Was für ein Blödsinn.

Mittwoch, Mai 16, 2007

342

Kurz und klapp, klar und klein

Murren und Muränen. Lückenbüsser. Ausstopfer alter Frauen, die sich zuviel gewünscht haben und dann doch nur irgendwo hängengeblieben sind, wo sie eigentlich nicht hingehören. Fünf Zimmer Villa am Stadtrand. Therapiegruppe am Seerand. Alpträume am Abgrund. Wenn das alles noch rauskommt. Wenn doch noch alles am Ende herausdrängt, alles was ein Leben lang reingestopft wurde, wenn da noch alles nach außen schiebt so kurz vor Schluss, ins Grab wollte ich das mitnehmen, in das dunkelgrüne Vergessen. Kannst Du vergessen. Aber interessiert sowieso auch keinen. Nur die Möbel, die will jeder haben. Und das Porzellan. Das Geld im Tresor. Egal jetzt. Die Brücke im Kopf wird bald geschlossen. Dann ist der Balken unten. Bald ist Balkenschluss. Bald ist Restprogramm. Graurauschen. Strohblume. Auf Wiedersehen. Auf Wiedergehen. Und keine Sentimentalitäten. Jeder ist mal dran. Jeder muss da mal ran. Kunst ist auch nur ein Fleck an der Wand. Oder ein Einrichtungsgegenstand. Ein Möbel. Kunst ist ein Stück Möbel. Ein Stuhl. Kunst ist ein Stuhl. Und manchmal ein Schrank.

Dienstag, Mai 15, 2007

341

Geradewegs ein Schaulaufen (Sauhaufen)

Aufgereiht wie Perlentaucher, wie Hundsköpfe auf einer Stange beim Hundemetzger, aufgezählt wie Hühnerärsche auf einer Stange, aber wenn da nicht der Kleber wäre oder der Tacker, nein, ist nicht wahr, die sind nur festgegackert. Kleinvieh macht aber auch Mist. Und wer misst, und wer einmal mitmisst, der kann was erleben. Tauchgang siebzehn, bitte bereiten Sie sich vor. Kleine Atempause noch.

Im Kummerbund Messer gefunden. Messer in den Bauch gerammt. Messer in den Kopf gesteckt. Kein Unterschied. Welt grau wie bisher. Welt schrill wie bisher. Welt schreit wie bisher. Messer weggeworfen. Neue Pizza bestellt. Fettschicht hilft. Fettschicht schützt. Meine Füsse sind schon weg. Nicht mehr zu sehen. Zehen krumm? Egal. Hauptsache rund.

Montag, Mai 14, 2007

340

Rotwein und Kuchen

Abgedroschene Bilder, überall, da ist keine Spur mehr von Korn, nur Kimme, aber das Saatgut, die Zelle keimt. Die Zelle ist nicht ohne Tür, aber ohne Schloss ist sie auch nicht. Die Zelle hat eine Wand, die Zelle hat eine Ecke, die Zelle hat einen Eimer. Vor allem aber hat die Zelle eine Decke, zu der sie alle hoch starren, die in der Zelle liegen dürfen. Bei manchem heisst die Zelle Zuhause, bei anderen heisst sie das nicht. Die Zelle ist eine Einzelzelle oder eine Doppelzelle. Manchmal ist sie eine Vielpersonenzelle. Oft ist die Zelle auch im Kopf, neben den anderen Zellen, eine Zelle macht noch keinen Sommer, dort schon gar nicht, die Zelle hier und die Zelle dort, und manchmal keimt so etwas grün wie die Hoffnung, oder blaue Funken kommen aus dem Moos, der Zellenwart hat wieder vergessen auszumoosen. Aber den Schimmel hat er abgekratzt, oder waren wir das selber, das bisschen machen wir dann noch schnell selber, das lassen wir uns nicht nehmen. Nicht auch noch. Wer hat gegeben?

Sonntag, Mai 13, 2007

339

Gefährten, geviertelt

Ich sehe kein Land. Ich sehe keine Palme. Ich sehe einen grauen Himmel der genausogut die Nebenwand des Nachbarhauses sein kann oder die Mauer eines Gefängnisses oder die kahle Wand in meiner Zelle. Ich sehe keine Palme. Ich sehe keine Insel. Ich sehe kein Meer. Das kann auch gut sein, weil dann sehe ich auch keine Haifischflossen, aber ich sehe manchmal ein Haifischgebiss, wenn ich den Fensterersatz öffne und in die Welt hinaus fernsehe, wo ich dabei nichts anderes sehe außer das was ich sehen soll. Oder darf. Oder nicht will. Wie man es will. Wie ich es will, ist eigentlich nicht vorgesehen. Eigentlich dachte ich, hier ginge es immer nur um mich. Glaubte ich. Glaube ich?

338

Messer im Mund

Die Flussmündung war gewaltig groß, wie das riesige Maul einer Papageienschildkröte öffnete sich dahinter weit der Dschungel, bereit mit seinem monströsen Schlund jeden zu verschlingen, der ihm zu nahe kam. Pére Pierre fühlte ein beträchtliches Unbehagen in sich aufsteigen. Hoffentlich hat es die richtigen Steigeisen dabei, sagte Pére Pierre halblaut zu sich, bevor er in sein winziges Kanu stieg und mit bedächtigem Schlag in Richtung des grünen Höllenhaupts paddelte. Ein kleiner Weg für mich, ein großer für die Gemeinde, beehrte Pére Pierre mit einem winzigen Fluch seine Dorfgemeinschaft, die ihn hierher gesandt hatte, als Überbringer einer Botschaft, die längst im Verdauungstrakt des Vergessens ruhte.

Der wuchtige Himmel über ihm drohte mit violettem Wolkenbruch, der gewaltige Strom unter ihm wandelte sich mehr und mehr zum lehmgelb wütenden Strudelfuror. Weitergehen, immer weitergehen, solange die Feife nich kalt wird und die Sähne noch halten, klapperte Pére Pierre mit den Zähnen. Es war mittlerweile empfindlich kalt geworden für einen Mitteleuropäer im Baströckchen und mit Bananenblatt auf dem Kopf. Scheißspiel, dachte sich Pére Pierre nochmal, einfach nur Scheißsspiel. Mitten im Winter ein Amateurvideo zu drehen, mitten in der Stadt. Mitten auf dem zugemüllten Fluss, mitten in der verdammten Fußgängerzone. Wo zum Teufel war eigentlich das Team? Und warum starrten alle auf sein Baströckchen? Und wieso winkten sie und pfiffen und schrien sie herum? Pére Pierre beschloss die schrecklichen Stadtbewohner zu ignorieren und weiter zu paddeln. Irgendwann würde die Fortsetzung der Geschichte kommen. Oder der Abspann.

Pére Pierre pfiff sein Lied und paddelte. Das Polizeiboot kam um die Ecke und röchelte. Der Schnee fiel vom Himmel und taumelte. Der Regisseur saß in der Bar. Die Bar schloß um halb drei. Das Eis schmolz. Leise klirrte das Glas.

Samstag, Mai 12, 2007

337

Neu hier, auch neu

Einmal auf den Weg gespuckt, schon ist ein Loch in der Straße. Ich sollte weniger beim Inder essen gehen. Ich sollte überhaupt weniger essen gehen. Hätten Sie einen Spucknapf für mich? Schön poliert, mit Kettchen dran? Nein? Oh. Dann war das ein anderer Film. Aber das Loch in der Straße, das mache ich noch zu. Später, wenn ich neuen Teer angerührt habe. Und einfach nur einen Stein, das geht nicht. Sowas geht überhaupt nicht. Der fällt aus dem Loch, und jemand anderes hinein, oder der hat dann ein Loch in den Zähnen, oder eine Lücke, eine Baulücke, und der Zaun ringsrum, der geht dann auf meine Kappe. Dann lieber Teer. Und eine kleine Feder oben drauf, meinetwegen. Meinethalben. Um wieviel?

Einschub: Schar Mützel. Da hinten laufen sie und haben alle einen roten Kopf. Eine Schar Mützel. Frisch aufgekocht.

336

Von dem Sand bitte noch

Meine Schnecken sind heute den Baum hinaufgeklettert, weit nach oben. Es hat geregnet und es sah sehr komisch aus, eilige Schnecken mit gestreiftem Schneckenhaus, die ganz gezielt in die Höhe zogen, ab in die Krone des Baums, während ringsum der Wasserfall auf die Schirme und Köpfe und auf den schwarzen Lack der Straße plodderte. Baumschnecken? Die wohnen vielleicht da oben in den Ästen. Oder es sind Selbstmörder, die sich dann nach unten in die Pfützen stürzen. Oder es sind Spasschnecken, die sich dann nach unten in die Pfützen stürzen. Nein, Badehosen hatten Sie keine an. Die waren wahrscheinlich noch im Haus, in der Wäschetruhe oder im Schrank. Nein, auch kein Handtuch oder Sonnenbrille. Eine Schnecke mit Sonnenbrille. Also sowas. Nein, das waren nur ein paar Schleimgleiter, die eilig den Baum hinaufwellten. Ziemlich eilig. Als hätten sie da oben was zu tun. Oder eine Verabredung. Da war das große SchneckenThing. Wie wir die Welt retten. Oder wie wir sie zerstören. Die Schneckenwelt, versteht sich. Schließlich leben wir im Föderalismus. Da kann jeder wie er will. Oder muss. Oder so.

Freitag, Mai 11, 2007

335

Einmal rundrum, bitte schön

Hauchdünn. Warteschlangen zischen Dir die Beine hoch, und die Drücker drücken bis auf die Kolonnenstraße. Heiligendamm, Heiligsblechle. Heilige Marie. Heile Welte, heile Welt, eine Welt, heiler Segen. Der Haussegen hängt wieder schief. Da hängt der Haussegen wieder schief. Da müssen wir gleich mal ran und den Haussegen wieder gerade. Es gibt so eine Sage, dass wenn der Haussegen schief hängt, dass dann das Glück aus ihm herausläuft wie das Wasser aus einem gestrandeten Schiff. Das Trinkwasser natürlich, weil der dumme Koch vergessen hat den Deckel auf den Tank zu machen und dann kippt erst das Schiff und dann der Tank und dann hängt der Schiffssegen schief, weil jetzt alle wieder an Land müssen und Wasser suchen. Aber eigentlich sind sie da schon, weil schließlich gestrandet. Also suchen sie sich ein Haus, und da hängt dann der Segen auch wieder Schiff, nein schief. Undsoweiter.

Donnerstag, Mai 10, 2007

334

Auf Du und Du mit Schnabelschuh

Was ist denn das für eine Sprache? Das ist eine komische Sprache. Das ist eine seltsame Sprache. Das ist eine andere Welt. Da kommt es nicht darauf an. Da kommt es nicht so sehr darauf an. In meinem ersten Roman werde ich eine Geschichte erzählen, die Geschichte eines taubstummen Hahns, der sich aufmacht die Welt zu erobern. Das hat noch keiner gesehen. Oder gehört. Also gelesen. Als Begleitung hat sich der Hahn einen Regenwurm angelacht, der klammheimlich auch so etwas wie eine essbare Notreserve darstellt. Das kriegt der Wurm natürlich irgendwann mit (Regenwürmer sind gar nicht so dumm, wie gemeinhin dargestellt), die Konflikte sind vorprogrammiert. Naja. Und das Kapitel, wie der Hahn eine Sommervertretung als Weckrufer auf einem Bergbauernhof antreten soll, und was dabei herauskommt, das ist besonders lustig. Wie er manchmal morgens den Traktor des Bauern starten muss, damit alle aufwachen, aber die Batterie ist leer, und wer hilft jetzt beim Schieben? Die Konflikte sind vorprogrammiert. Auch der Schluss ist sehr schön, wie der Hahn und der Wurm endlich in Portugal ankommen aber nicht so recht wissen, wie sie sich eine...Aber das wird der geneigte Leser schon selbst erfahren, wenn das Buch erstmal fertig ist. Dafür muss ich erstmal anfangen es zu schreiben. Also entspannen Sie sich, und entneigen Sie sich. Sowas kann dauern. Wie man weiß.

Dienstag, Mai 08, 2007

333

Ein Viertel, und zwar rot

Und der Sturm wird blasen, dass es einem die Irrlichter weghauen wird. Und trotzdem, ich bin nicht zufrieden. Ich kann nicht zufrieden sein. Ich lasse niemand mehr an mich heran, ich bin ein wütender knurrender Hofhund mit einer Kette und einem Stachelband um den Hals ich fletsche die Zähne ich rieche schlecht aus dem Maul und versuche immer die Kette durchzureißen und mich auf die Umstehenden und ihre Wurstzehen zu stürzen und sie bis auf den Wahnsinn zu zerfleischen ihnen das Wurstzehenfleisch von den Knochen zu reißen bis der Wahnsinn endlich aus dieser Fußhaut heraus kann. Der leuchtet doch schon aus ihren Schuhen! Stellt sich nur eine Frage vor das Windlicht der Zeit – und dann?

Montag, Mai 07, 2007

332

Ein Pfeilaroma durch den Raum

Hut auf, und dann wieder Hut ab. Gleich nehme ich Notiz von meiner Dergestalt. Die Dergestalt hat bisher bei mir in einer Ecke meiner Wohnung gewohnt. Bei dem Haken an der Wand. Sie ist mir nicht besonders aufgefallen. Nur manchmal mit einem kurzen Schulterzucken. Das sah achtlos aus, war aber auch nur so gemeint. Meine Dergestalt hätte es andererseits glaube ich schon ganz gern gehabt, wenn sie etwas mehr Aufmerksamkeit bekommen hätte. Nicht immer nur einen Schal, einen Hut und ab und zu die Kette mit dem Haustürschlüssel an den Hals.

Jedenfalls ist jetzt alles klar und gut zwischen mir und meiner Dergestalt. Wir haben uns irgendwann aus- und angesprochen. Oder umgekehrt. Jetzt sitzen wir abends gerne zusammen und trinken ein Glas Wein. Oder spielen ein Spiel, oder machen gar nichts. Dann sehen wir uns an und ab und zu lachen wir oder zucken kurz mit den Schultern. Meine Dergestalt ist eigentlich sehr lustig. Ich bin dagegen eigentlich überhaupt nicht lustig. Deshalb lachen wir auch nicht sehr oft. Deshalb bringen wir auch überhaupt nichts anderes zuwege. Oder zustande. Wir verbringen eben unsere Zeit. Das ist ja auch schon etwas.

Sonntag, Mai 06, 2007

331

Kommentar mit Säbelsäge

Es gibt immer was zu tun. Es gibt immer was genug zu tun. Bis alles was getan werden konnte so getan ist, dass niemand mehr etwas zu tun hat. Haben Sie nicht mehr zu tun? Haben Sie eine andere Idee? Wenn ja, schweigen Sie sich aus. Falls vielleicht, kommen Sie auf den Punkt. Oder schwitzen Sie Ihre Idee einfach aus. Lassen Sie sich dabei aber nichts anmerken. Lassen Sie aber auch nichts anbrennen. Lassen Sie nichts auf eine gute Idee kommen. Sie ist ihre Zeit wert. Gute Ideen werden nämlich wie Ananas ganz grün angeliefert. Sie müssen erst noch nachreifen. Wenn man sie dann aber nicht relativ zeitnah fertigdenkt, fangen die Ananasideen an zu riechen. Meistens. Und irgendwann fangen sie an zu stinken. Gute Ideen stinken. Wenn man sie zu lange liegen lässt. Gute Ideen können einem den ganzen Kopf verstinken. Gute Ideen, die einem ins Bett fallen und die man übersieht weil man grüne Bettwäsche hat oder keine Lust sich auf die dumme Idee einer grünen Bettananas einzulassen, können einem den ganzen Tag versauen. Wenn man ihn im Bett verbringt. Also schlafen Sie gut. Bis obenhin.

Samstag, Mai 05, 2007

330

Axel hat eine Reise getan

Im Hufeland, da haben sie alle einen grünen Kopf. Und ein blaues Gehirn. In Hufeland heißen die neuen Kinder Ilja und Tanja, und die alten Menschen werden Kurt genannt. Manche auch Karen. Und wenn Ilja und Tanja oder Kurt oder Karen auf der Straße zu sehen sind, lachen die anderen Menschen und freuen sich. Andere werfen mit Steinen, die sie hoch über sich werfen und dann mit dem Mund wieder auffangen. Flagge zeigen. Flagge. Eine große mit erzbraunem Koffer in der Mitte. Und was soll das heißen? Und was will uns das sagen? Da steht einer auf und jagt alle wieder aus dem Land. Wer? Richtig. Keiner.

329

Zehn Prozent, und auch so

Klauen. Und Benzin. Die Klauen in die Erde, das Benzin darüber. Brennendes Verlangen, auf den Grund gegangen. Es glüht nach, mir kommt die tropfend heiße Verwirrung in den siedenden Kopf. Von hier aus gesehen sieht die Stadt ganz friedlich aus. Überall ist es ruhig, kleine Feuerchen brennen, und die Antennen ziehen bunte Bildchen aus dem Medienstrom, der wie eine Wolke hungriger Geier über den Häusern kreist. Natürlich haben längst alle Kabel, aber es ist so ein schönes Bild. Und es trifft den Kern. Ich stehe auf einer Anhöhe über der Stadt. Die kleinen Feuerchen fressen mir kleine Löcher in die Jetzthaut, in die Netzhaut, quecksilbrige Farbenfische. Alles ist immer so hungrig hier. Jeder will sich satt sehen, an den Bildern, am Benzin, an der Bewegung, am bunten Licht, das sich an den Häusern entlangzieht wie explodierender wilder Wein.

Freitag, Mai 04, 2007

328

Error in minor, C2

Was mach ich denn bloß, was tu ich denn nur, wenn die Schweine mir dauernd durch den geflickten Gartenzaun rennen, und meine grüne Seite, also mein lebhaftes Gemütsgemüse, das kommt mir alles durcheinander wie ein großer Witz, wie eine ganze Witzeplatte kommt mir das vor, wie eine große gemischte Witzeplatte, und oben drüber da haben sie meinen Kopf gelegt, mit einer Banane im Ohr, das ist witzig! Das ist so witzig! Das ist überhaupt nicht witzig! Ich muss nicht lachen! Hört keiner mein Lachen? Nein? Es gibt auch keines!

Donnerstag, Mai 03, 2007

327

Zu Hauf, und zu unterst

Im Regen sitze ich und lese Deine blasse Botschaft. Das fängt gut an, so mit dem Regen und dann diese blasse Botschaft, die Zeilen gehen also runter von dem Papier, nicht alle auf einmal, überhaupt nicht, sondern nach und nach, sie verschwinden Wort um Wort, sie verblassen regelrecht, sie werden eins mit dem Hintergrund, sie verschwimmen also nicht etwa, sondern vergehen nur. Das steht dann ja auch da. Im Regen sitze ich und lese Deine blasse Botschaft.

Mittwoch, Mai 02, 2007

326

Gestern ist vielleicht

Das ist geschickt. Das ist wie Flasche ins Meer, und es glitzert. Aber alles was auf dem Zettel steht, das wird braun mit dem Papier, und zerfällt irgendwann. Die Flasche ist die Botschaft. Die Botschaft ist eine Nachricht: Ich bin hier. Ich bin ein anständiger Mensch. Ich bin ein inständiger Mensch. Ich klemme Bretter zwischen andere Bretter und nenne es Regal. Ich klammere mich an althergebrachtes. Ich versammele meine Wut, fülle sie in Gläser und beschrifte die Gläser. Auch Wut hat ein Verfallsdatum. Und Wut zerfällt zu nichts. Wut verraucht, praktisch. Aber das kann dauern. In der Zwischenzeit klammere ich mich inständig an das anständig sein. Und an die Bretter.

Dienstag, Mai 01, 2007

325

Winter war gestern, aber Sommer auch

In der Nacht kommen die Wolken alle in die WolkenWaschAnlage. Da werden sie einmal ganz durchgewaschen, und einmal nur halb. Weil wenn die Wolken ganz weiß wären, also wenn alle Wolken völlig weiß wären, die Leute würden denken, da ist Papier am Himmel. Und Papier, das gehört auf den Tisch, mindestens auf den Boden. Papier ist die ausgepresste Hinterlassenschaft toter Bäume. Papier ist die Genugtuung einer fatal kriminellen Gesellschaft. Wir haben alle aufs Papier gesetzt. Aber es gibt doch immer weniger Bücher. Aber es gibt doch immer mehr Dichter. Aber es geht doch nur um das Prinzip Leichenschau. In den Häusern drinnen wälzen sie sich auf dem Boden. Dreck panieren heißt das. Sich mit Dreck panieren. Und dann ab in die Hitze der Stadt. Ich glaube, in meinem Kopf sind ein paar Straßen gesperrt. Und die Hinweisschilder sind nicht aus Papier.


Betragen & Betrügen 2009

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