Sonntag, Mai 13, 2007

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Messer im Mund

Die Flussmündung war gewaltig groß, wie das riesige Maul einer Papageienschildkröte öffnete sich dahinter weit der Dschungel, bereit mit seinem monströsen Schlund jeden zu verschlingen, der ihm zu nahe kam. Pére Pierre fühlte ein beträchtliches Unbehagen in sich aufsteigen. Hoffentlich hat es die richtigen Steigeisen dabei, sagte Pére Pierre halblaut zu sich, bevor er in sein winziges Kanu stieg und mit bedächtigem Schlag in Richtung des grünen Höllenhaupts paddelte. Ein kleiner Weg für mich, ein großer für die Gemeinde, beehrte Pére Pierre mit einem winzigen Fluch seine Dorfgemeinschaft, die ihn hierher gesandt hatte, als Überbringer einer Botschaft, die längst im Verdauungstrakt des Vergessens ruhte.

Der wuchtige Himmel über ihm drohte mit violettem Wolkenbruch, der gewaltige Strom unter ihm wandelte sich mehr und mehr zum lehmgelb wütenden Strudelfuror. Weitergehen, immer weitergehen, solange die Feife nich kalt wird und die Sähne noch halten, klapperte Pére Pierre mit den Zähnen. Es war mittlerweile empfindlich kalt geworden für einen Mitteleuropäer im Baströckchen und mit Bananenblatt auf dem Kopf. Scheißspiel, dachte sich Pére Pierre nochmal, einfach nur Scheißsspiel. Mitten im Winter ein Amateurvideo zu drehen, mitten in der Stadt. Mitten auf dem zugemüllten Fluss, mitten in der verdammten Fußgängerzone. Wo zum Teufel war eigentlich das Team? Und warum starrten alle auf sein Baströckchen? Und wieso winkten sie und pfiffen und schrien sie herum? Pére Pierre beschloss die schrecklichen Stadtbewohner zu ignorieren und weiter zu paddeln. Irgendwann würde die Fortsetzung der Geschichte kommen. Oder der Abspann.

Pére Pierre pfiff sein Lied und paddelte. Das Polizeiboot kam um die Ecke und röchelte. Der Schnee fiel vom Himmel und taumelte. Der Regisseur saß in der Bar. Die Bar schloß um halb drei. Das Eis schmolz. Leise klirrte das Glas.

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