Sonntag, April 15, 2007

308

Kotz Dich raus

Hundstage. Müsste jemanden beim Wipfel packen. Sternschopf. Die Bäume tragen ihren schon wieder kopfhoch. Ich bin Bienensummer, aber gar nichts gegen einen Baum. Waren Sie schon mal im Park, neben einem jüngeren Baum in voller Blüte und frischem Saft? Der summt. Gut, nicht jeder von denen lässt sich gern dabei beobachten. Manche summen leise und heimlich, aber nicht weniger vergnügt. Andere haben ihre Rindenhaut, die nichts auslässt. Wieder andere aber sind so stolz und unbekümmert, die summen wie ihnen der Sinn und die Äste stehen. Man wollte fast kein Holz mehr in die Hand nehmen, und Tisch und Stuhl, und Schrank und Zettelkasten. Und Klavier.

Wer jemals die eine und die andere Hand an der Wiege gehabt, und weiß wer überhaupt noch, was eine Wiege so ist? Bringt das fehlende Schaukeln unsere Hirne soweit durcheinander, dass sie nachts an der Innenseite des Schädels festkleben, und dann morgens nur durch einen Filmriss gelöst werden können? Und Blut? Wir sind die andere Seite noch lange nicht genug abgefahren, um da wenigstens auf halbem Weg eine Erscheinung zu haben. Und Licht ist auch Kandela, irgendwie, also Kandelaber. So ein Geschwätz. Lauter Lichter, lauter Leuchtbuchstaben, die einem nachts aus dem Maul hüpfen. Mund zu! Andere Leute wollen schlafen! Da tanzen mir die ganzen Gedanken aus dem Kopf und kommen raus wie nichts. Als ob gar nichts wäre. Als ob da gar nichts bei wäre. Ja, wozu hat man uns die Filter mitgegeben? Was ist mit der Erziehung? Lasst gefälligst nicht jeden zuschauen, wenn ihr redet! Mann, Mann. Aber schön ist es schon. Obwohl meine Geschichten augenscheinlich nicht so hell sind wie sie sollten. Sind auch schon älter. Und anderst.

(Untergangsstimmung. Die Taucher kennen sowas. Morgens, bevor sie unter die Marmeladenhaut des frühen Meeres kriechen, da haben sie die. Und abends, wenn sie schwer mit Eindrücken beladen wie alte Schildkröten aus dem Wasser zurück an Land kommen, da haben sie diesen Druck, diesen Ausdruck um die Augen, den man nur als entrückt bezeichnen würde, weil man verrückt nicht verwenden wollte. Entrückt. Niemand fragt nach einem Wasserschaden. Als Taucher hat man den so oder so. Und immer das gleiche Lied: Wir nehmen den Kopf nicht über Wasser, bis wir ganz tief unten die tiefblaue Kugel gesehen haben. Und nichts von dem nassen Zeug drum herum kommt in die Ohren, denn wir sind endlich wer.)

Lassen Sie mich es mal so zitieren: in Gedanken begehen, einen Fuß breit vor den anderen setzen, und das auf einem Riff, also da unten sind auch Haie. Will ich nur mal gesagt haben. Riffhaie. Nein, mit Gitarren haben die wenig am Hut. Die kennen nicht einmal eine Zahnbürste, am wenigsten einen Hut. Und mit Steckosen und Verstärkern brauchen Sie denen auch nicht groß zu kommen. Fürchte ich. Aber was ein Bein ist, das wissen sie. Aus Erfahrung.

Herrliche Zeiten. Im Glorienschein, in der Gloriole der neuen Neun-Uhr-Nachrichten, da lässt man sich keine andere Schnecke aus der Nase ziehen, da kennt man seine Pappenheimer, und erst die aus Schaffhausen, die auch.

(Zwischentext: Wir immer vorneweg. Wir immer auf schwankendem Grund, wir immer viel. Wir immer mit der großen Klappe, wir immer mit dem vielen Futter, wir immer mit dem großen Durst, den langen Hörnern, den scharfen Worten. Wir immer mit dem Sonnenuntergang, wir immer mit der traurigen Bilanz, wir immer mit der bleibenden Versuchung. Wir immer mit dem Flüchten, den kleinen Fluchten, den großen Ausfällen, die der Bienenstall gerade noch so zuließ, bevor, ja bevor. Wir immer auf dem halben Weg. Wir immer mit Standbein. Mit der Grube, mit dem Grübchen, dem Grübeln, und dem Gräbeldinger. Wir immer unter Flur. Wir immer mit Blei im Hirn, mit Lot aus Nasen fallend. Wir immer mit dem Kopf. Wir immer klar. Halbgar. Zwischenboden. Man tanzt. Man fällt. Man wähnt sich alt. Man gewöhnt sich an. Wie immer. Wir immer. Immer wir.)

Kaltes klares Wasser. Grünes, trübes Gebräu. Und was wähle ich? Für das erste Mal eine Tasse, bitte. Meine hohlen Hände sind noch ganz rauh vom letztenmal. Ja, der Berg und seine Getränke, das macht einem schon zu schaffen, das muss man gewohnt sein. Da ist nichts mit spät aufstehen und noch später in die Kissen, hier schlafen alle auf Stein. Wie sollen wir sonst den Berg hören und seine Geschichten? Wenn nicht mit dem Ohr auf dem Fels, und den Augen fest zu? Denken Sie, da gibt es Anschlüsse für einen Kopfhörer, oder wie glauben Sie stehen wir im Kontakt? Halten Sie ruhig den Bügel, unter den Kleidern sind wir alle nackt.

Wahlscheiben gibt’s nicht mehr, man hat heute Tastenfeld. Ein Tastenfeld? Ein Minenfeld ist das. Wissen Sie, wen Sie da anrufen, womöglich aus Versehen oder einer Laune heraus, mit einem falschen unschuldig ungewollten Tastendruck, und man ist gleich in der Hölle eines anderen, im tiefsten Kellergewühl seiner Gedanken, und wie da rauskommen, wie kommt man wieder da raus? Am besten man drückt auf die Minen oder die Tasten, bis es knallt. Tasten, bis es knallt. So hat man sich das gedacht in der Entwicklungsabteilung. Frisch auf die Taste gedrückt. Frisch auf den Kopf. Frisch durch die Mitte. Ab durch die Mitte. Und wenig mehr als den Verstand.

(Abkehr: in 80 Sätzen um die Welt. Aber die Volksbühne ist ein einziger Kratzer! Und der Hals ist eng, geschnürt wie ein Armeestiefel, gestopft wie ein alter Weihnachtsganter – mir dräuts! Es wird übel!)

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