Dienstag, April 17, 2007

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Zwielicht, Halblicht, Irrlicht (Zweite Treppe links)

Guten Abend. Ich habe eine gute Nachricht für Sie. Etwa so: her mit Ihrem Geld. Aber hurtig. Hundert, zweihundert, danke das ist genug. Einen schönen Abend noch. Grüßen Sie Frau und Kinder. Ein höflicher Räuber. Aber ich habe gar keine Kinder. Und die Frau ist immer noch nicht zurück, seit dem letzten Abend vor dreizehn Jahren. Vielleicht weiß er mehr. Vielleicht ist das gar kein Räuber gewesen, sondern ein Hellseher oder ein Wahrsager. Und das war eben seine Gebühr. Ein weiser Großwesir aus der Vorstadt. Hat hier irgendwo seine Zelte aufgeschlagen. Weil es gerade wenig Laufkundschaft gibt, hat er sich einen ausgesucht. Mich. Oder er hat mich ganz persönlich aufgesucht. Ist stundenlang durch die Stadt gelaufen, bis er mich findet. Obwohl. Als Hellseher hätte er vorher wissen müssen, wo ich bin. Sehen schließlich alles doppelt gut, diese Typen. Eigentlich sind das ja Vorseher. Vorherseher. Nachherseher wäre schlecht, irgendwie. Nachherseher sind wir alle. Irgendwann. Hätte ich bloß nicht diese karierten Hosen gekauft. Hätte ich bloß nicht diese Frau geheiratet. Na, wenigstens ist sie weggelaufen. Aber wenn der Typ recht hat, kommt sie wieder! Und ihr schreckliches Essen! Und diese Zähne! He! Stehenbleiben! Ich will mein Geld zurück!

Hauptsache Kopf: Schwerpunkte haben die Eigenschaft, sich am Grund einer Sache zusammenzuziehen. Dort sitzen Sie dann und ziehen und ziehen immer weiter zusammen, bis sie einen neuen Kern entwickelt haben. Der spaltet sich, manchmal, und dann wird irgendwann alles ganz bunt. Zum Beispiel die Vielfalt. Also ein Schmetterling käme ohne Vielfalt gar nicht aus, heutzutage. Oder denken sie, Schmetterlinge könnten mit Einfalt leben? Oder auch nur überleben, als Bodentier? Schau mal, da läuft ein Schmetterling. Toll. Nein, es gibt eine Weisheit in der Natur, die ist älter als jede Philosophie. Natürliche Weisheit. Ohne Zusätze und Konservierungsmittel. Allerdings mit unbarmherziger Konsequenz. Andererseits – wer sagt, dass Philosophie barmherzig ist. Tröstlich manchmal. Aber da muss man sich ihr auch schon ganz und gar hingegeben haben. Wer will das schon. Kein Mensch, den ich kenne. Das ist sowas von unnatürlich. Sowas von unecht. Unursprünglich. Nichtecht. Nicht lichtecht.

Hauptsache Kopf. Hustenanfälle am Morgen weisen auf eine oberflächige Art der Betrachtung hin. Also hemmen Sie ihren Schuh. Geben Sie dem Affen Zucker. Sie haben keinen Affen? Nehmen Sie diesen mit Schokoladenüberzug. Und stellen Sie ihn in die Sonne. Dann kommen Sie wieder und kaufen sich einen neuen. Das sichert Arbeitsplätze. Auf der ganzen Welt. Und sie können sicher sein, eine gute Sache getan zu haben. Für uns alle. Vor allem natürlich für uns. Und die Aktionäre. Morgen ist wieder Aktionärstreffen: Man braucht eine andere Kultur der Aktionäre hierzulande. Haben Sie das gehört? Haben Sie das auch verstanden? Und jetzt kümmern Sie sich um einen neuen Text, und ein anderes Licht, einen neuen Proberaum. In dem es nie eine Probe gibt, oder auch nur Schauspieler. Sondern immer nur Requisiten. immer nur neue Requisiten, bis das Zimmer voll ist. Dann gehen wir in den nächsten Raum. In das nächste Haus. In die nächste Straße. An der nächsten Stadt hat man uns zwar abgewiesen, aber wir kommen wieder. Das wäre ja noch schöner. Hier geht es schließlich um die Allgemeinheit. Und das ist ein Gut!

Ich sehe schon, sie funktionieren einwandfrei. Genau die richtige Menge Strom, und alles in einwandfreien Dosen. Haben wir uns eingemacht, nein, feingemacht. Die echte homöopathische Verzweiflung ist aber nicht gespielt. Die findet ihren Ausruck im leichten Heben der linken oberen Wimpernpartie. Sie sind gezupft? Na dann. Pech gehabt. Und das klebt nicht schlecht, müssen sie wissen.

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