Freitag, April 06, 2007

303

Arbeit für ein Ei

Nehmen wir einen Stein. Umwickeln wir den Stein mit Draht. Hängen wir den mit Draht umwickelten Stein an einen anderen Draht, an einen Nagel, an einen Balken. Stellen wir den Balken so auf den Boden, dass es nichts mehr daran zu rütteln gibt.

Hunderttausend willfährige Messdiener. Und ein einziges rotleuchtendes Plakat. Und ein einziges Paket, voller Menschenknochen: Das Fleisch haben wir gegessen, flüstert der Chor der Diener des Herrn. Das Fleisch haben wir gewürzt und gebraten und gekocht und gegessen. Nichts ist davon übrig. Nur seine Gedanken sind jetzt ganz in uns aufgegangen. Wir sind erleuchtet von seinem Wort. Wir sind beseelt. Wir werden uns auf die Suche nach dem nächsten Erlöser machen, und auch ihn entleiben, sein Fleisch nehmen, würzen und braten und kochen und essen. Wir sind die Erleuchteten. Wir haben gute Zähne.

Das Paradies ist eine erste Antwort auf die Frage, was kommt eigentlich danach. Die zweite heißt Hölle. Die dritte nennt sich Tiefer Schlaf. Und dann wären da noch das blaue Schaf, eine größere Anzahl roter, blauer und unsichtbarer Riesen oder Zwerge, zwei Baumhäuser in Arizona, und so etwas wie ein Urmeer aus glibberigem Schleim, in das wir alle als Pantoffeltierchen reinkarnieren. Auch nicht schlecht. Kommt allerdings auf die Farbe des Schleims an. Also ich möchte nicht tagtäglich in einer lila Schleimbrühe unterwegs sein. Naja, vielleicht gibt´s da ja Sonnenbrillen. Wenn nicht, machen wir eben welche. Wird sich schon was finden. Im Ursuppen-Fundus.

Zwischenboden: Wir waren alle auf der einen dem Tal zugewandten Seite des Flusses, als auf der anderen Seite ein Prophet auf einem brennenden Maultier erschien. Er schrie und rief, und wir wussten, es könnte, es würde wichtig sein. Aber der Fluss war zu laut, und wir waren zu müde, und das Gras auf unserer Seite war zu saftig und zu weich. Wir legten uns nieder und schliefen auf der Stelle ein. Als wir wieder erwachten, war der Prophet verschwunden. Nur an der Stelle, wo sein brennendes Maultier gestanden hatte, lag eine Menge Asche. Ein großer Haufen schwarz verkohlter Asche. Wie ein kleines Häufchen Elend, nur eben anders. Die Glorie eines langsam abbrennenden und dann zerfallenden Maultiers. Jeder von uns bekam ein Stück Kohle und etwas von der Asche, um damit seinen innigsten Herzenswunsch an eine geheime Tür in seinem Haus zu schreiben. Leider waren wir alle wohnungs- und häuserlos, seit der großen Flut vor drei Tagen. Also malten wir uns die Zähne schwarz und machten, dass wir wieder wegkamen von dieser Seite des Flusses. Den unseligen Propheten hat keiner mehr gesehen. Niemals.

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