Samstag, Oktober 08, 2005

zwanziger

einen tag später ist plötzlich alles klar. wie ein gläsern spiegelnder tautropfen, der sich sanft vom satten grün eines farnblatts rollend in die tiefe gleiten lässt, kommt herrn k. die erkenntnis in den sinn geperlt: er kann gar nicht schriftsteller werden.

herr k. kann schließlich keine farben sehen. er kann sie zumindest nicht so sehen wie die geborenen oder berufenen schriftsteller sie zu sehen imstande sind. selbst unter idealen laborähnlichen bedingungen dringt zu herrn k´s prismatisch verarmten kortex einfach nichts vor, was man etwa als irisierend leuchtende schattierung bezeichnen hätte können. Oder als reflektierende oder schillernd illuminisierende, oder chimärisierende, schamanisierende oder sonst irgendwie -ierende.

herr k. sieht farben einfach nur als farben. rote, blaue, grüne oder andere farben. manchmal sogar ein leichtes rot, blau, grün oder eine andere farbe, manchmal ein schweres, ein helles, dunkles, sattes, ein mattes, stumpfes oder sogar lautes oder leises. auf jeden fall keine jener unglaublich differenzierenden nuancen, welche die gepriesenen der zunft schon immer und mit jeder faser ihres feinstofflich fantastisch ausgebildeten nervensystems wahrzunehmen und sogleich in brillierende und jubilierende metaphern zu transponieren in der lage waren. mysterische wort-architekten. aus dem nichts heraus fähig, mit einem kurzen nicken ihrer markant geformten häupter wahre wortpaläste entstehen zu lassen, mit detailstgetreuer und fein ziselierter oberfläche sowie einem innenleben, das jeden nur halbwegs gang- und denkbaren aspekt bis ins mikrofeinste ausleuchtete.

herr k. dagegen produziert hütten. einräumige, windschiefe gebilde, durch die der kalte atem des konstrukts pfeift und nichtsagende monotonie brüllt.

herr k. duckt sich unter der eilig auf ihn zukommenden erkenntnis weg und denkt daran, seinen künstlerischen werdegang nochmals zu überdenken. vielleicht sollte er skulpturist werden, oder konzeptions-künstler.

vielleicht, denkt herr k. mit dezenter wehmut, vielleicht oder sicher sogar liegt es nur an meiner kindheit. oder der schule. vielleicht liegt es auch an meinem gehirn. ich sollte mich gründlich untersuchen lassen, auf farbverstellung. oder mir eine neue brille kaufen.

während herr k. mühsam sein genötigtes selbst renoviert, fällt schwerer schnee aus den beulentaschen der eng über der stadt versammelten wolken. schaudernd flüchtet herr k. in eine bar. er richtet sein wunschdenken neu aus auf eine große tasse heißen kaffees.

schwarz muss er sein, denkt herr k.. schön schwarz. und ohne zucker.

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