Samstag, Februar 24, 2007

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Im Fluss reift ein Obelisk

Im Bus war wieder die Hölle los, und während ich in der ganzen Zeit davor ganz oben auf dem Hochhausdach stand und auf die Plattform wartete, die mich im Wechsel mit anderen auf die andere Seite bringen sollte (es ging überhaupt kein Wind!) und während ich aus lauter Ärger über das zögerliche Transportieren die Treppen nach unten stolpern wollte, saß ich auch schon irgendwann im Innern dieses riesigen Busses. Sah aus den Fenstern und sah die mehrspurige riesige Stadtautobahn. Sah dieses riesige deltaflügelige Flugzeug, das so unmittelbar über uns weg immer tiefer flog, entlang dem dünn geschleiften und spärlich befahrenen Band der Autobahn, immer tiefer, das Ding wollte landen!

Das riesige deltaflügelige Flugzeug versuchte tatsächlich zu landen, die Nase hoch aufgerichtet, den Hintern mit dem Hauptfahrwerk vorgestreckt schwebte es über dem Berg- und Talband der Straßenführung, es verschwand hinter dem nächsten größeren Bergrücken und hinterließ eine Welle gedehnter Zeit, eine flach atmende Spannung, an der man sich weiter mit aller Gewalt festklammern wollte, ein Meer aus wattierten Gedanken, bis ein hässlicher Todespilz aus schmutzigem Rauch hoch in das blaue Nichts sprang und allen klar war, das hieraus nichts Gutes mehr entstehen konnte, nur ein schnelles gnädiges Ende. Mensch seht mal, da rechts, der landet, hatte ich noch gerufen.

Was dann ebenfalls landete, und zwar rechts hinter dem Bus war ein rundes großes Teil einer Turbinenabdeckung, die durch die Luft an uns vorbei segelte und aufschlug, und die lange dünne Frau, die gleich hinterher kam, die durch die Luft gerissen worden war und dann auch aufschlug. Sie kam lang, sehr lang ausgestreckt daher geflogen und ich habe weggesehen, als sie aufprallte, ich habe nur hingehört, und das Geräusch war bei weitem nicht so schrecklich, wie man mir das in Büchern immer geschildert hatte, es klang dumpf, aber es raschelte auch fast ein wenig. Als ich wieder hinsah, lag sie auf dem Asphalt wie eine fadenlose Marionette. Danach wollte ich nur noch heraus aus dem Bus, ich rief und zerrte und fand tatsächlich einen altertümlichen Griff, der mir und den anderen tatsächlich die hintere Tür öffnete, auf eine Straße, die immer noch hupte und lärmte, wenn auch weniger stark. Als wäre das Flugzeug, dass da eben über unser Köpfe weggetaumelt war, weitergeflogen und irgendwo sicher auf der Wiese gelandet. Das Turbinenteil und die Frau kannten eine andere Geschichte.

Irgendwann kam ein ICE aus einem Tunnel nebenan vorbei, seine Nase war zerstört, Blechstreifen hingen herab, aber er fuhr noch, wenn auch vermutlich nicht dort wo er eigentlich sollte, er brach durch eine dünne Blechwand, fuhr dann anschließend in einem harten Bogen wieder hart nach links gegen die Richtung der Landung zurück in den Blechberg oder darum herum. Immer noch war keine Panik im Entstehen oder schon entstanden, immer noch gab es keine Rettungskräfte, die wellenweise an uns vorbei zum Ort des Grausigen fluteten, es war als warteten alle auf eine besondere Art der Erlösung, und die Spannung wurde größer und größer, wenn das Seil zerriss würde es uns alle umbringen. Aber alles lief weiter wie gehabt, nur verlangsamter, die Zeit hing schwer hinter und über dem Berg.

Wahrscheinlich kurvten gerade hinter dem gnädigen Buckelrücken einzelne Gefährte langsam durch den Rauch um Wrack- und Menschenteile, um die Koffer und das andere Strandgut herum. Oder sie fuhren darüber weg, vorsichtig, wegen des Wagens, damit dieser nicht beschädigt wurde und sie zuhause keinen Ärger bekamen, mit dem Rest der Familie. Irgendwo hinter dem Rauch musste es schließlich weitergehen. Irgendwie. Irgendwann.

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